Chancen der geschlossenen Unterbringung
Sannerz – Schwer erreichbaren Jugendlichen kann in einer geschlossenen Unterbringung besser geholfen werden - das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie des Instituts für Kinder- und Jugendhilfe in Mainz. Ihr Leiter Prof. Dr. Michael Macsenaere stellte die Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation bei der Fachtagung zum Thema „Recht auf Freiheit - Chancen und Möglichkeiten einer geschlossenen Unterbringung“ in Schlüchtern vor. Eingeladen dazu hat das Jugendhilfezentrum Don Bosco in Sannerz, das 2012 die Wohngruppe Murialdo als einzige geschlossene Unterbringung für Kinder in Hessen eröffnet hat. Entscheidend für den Erfolg der sogenannten grenzsetzenden Pädagogik ist den Evaluationsergebnissen zufolge einerseits zum Beispiel Alter und Straffälligkeit der Jugendlichen, aber auch die Orientierung der Pädagogen an den Stärken der jungen Menschen sowie Partizipationsmöglichkeiten, wie Professor Macsenaere darlegte.
Ein schwieriger Start
Die Referenten, zu denen zum Beispiel Einrichtungsleiter Patrick Will, Provinzial P. Reinhard Gesing und Dr. Christian Peter vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration gehörten, erinnerten sich an die schwierige Anfangszeit, in der die Kritik aus Politik und Gesellschaft groß war. „Doch es ist gut, dass wir zu dieser Aufgabe und zu dieser Zielgruppe Ja gesagt haben“, betonte P. Gesing. Über die Entstehung und Genese der Gruppe sowie einem „zähen Anfang“ berichtete P. Christian Vahlhaus als damaliger Einrichtungsleiter. Es habe zum Beispiel, erläuterte er, eine hohe Fluktuation im Betreuerteam gegeben und auch das Profil der Einrichtung sei erst mit der Zeit klarer geworden. „Es hat uns viel gebracht, offen und transparent zu sein“, betonte er. Das führte in seinen Augen dazu, dass die Gruppe heute mit anderen Augen gesehen werde.
Zu Gast war auch Pro. Dr. med. Matthias Wildermuth, Ärztlicher Direktor der Vitos Klinik GmbH in Herborn, welche die Wohngruppe seit Eröffnung begleitet. Der Professor ging auf die frühen Beziehungsstörungen der Jugendlichen sowie ihreFolgen ein. Diese eingebrannten Erfahrungen sind, machte er deutlich, „nur mühsam zu verändern“.
Einblick in die Praxis
Anschließend berichteten die Pädagogen aus der Wohngruppe Murialdo sowie Lehrer der Johann-August-Waldner-Schule, der staatlich anerkannten Ersatzschule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung in der Trägerschaft der Salesianer Don Boscos, von ihren Erfahrungen in der Praxis. Die Jugendlichen sind, wie Martin Lotz, Gruppenleiter der Wohngruppe Murialdo, erläuterte, zunächst sehr skeptisch. Sie hätten kein Vertrauen mehr zu Erwachsenen und litten zudem an vermehrter Anspannung und einer chronischen Übererregbarkeit. Hier führten, wie seine Kollegin Katrin Löffert sagte, kleine Schritte zum Ziel. Dazu zählten etwa die Fähigkeit, Gefühle auszudrücken, sowie angstfreies Schlafen und das regelmäßige Zähneputzen. Den fachlichen Austausch wollen die Sozialpädagogen so beibehalten. „Wir stehen für unsere Arbeit und wollen uns weiterhin gegenseitig überprüfen.“
Text und Fotos: RefÖA/pac
Präsentationen des Fachtags zum Download
Geschlossene Unterbringung – Risiko oder Chance?
Ergebnisse der Evaluation der intensivpädagogisch-therapeutischen Wohngruppe Murialdo
Prof. Dr. Michael Macsenaere
IKJ – Institut für Kinder- und Jugendhilfe
Die Freiheitsentziehende Unterbringung nach § 1631 b BGB in der Kinder- und Jugendhilfe
Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
Dr. Sabrina Hoops, Deutsches Jugendinstitut (DJI) e. V., München
Genese der Wohngruppe Murialdo
Pater Christian Vahlhaus, Provinzialvikar der Deutschen Provinz der Salesianer Don Boscos, München
Praxisbeispiele: Partizipation und grenzsetzende Pädagogik in der geschlossenen Wohngruppe Murialdo
Martin Lotz, Gruppenleiter der Wohngruppe Murialdo; Katrin Löffert, Diplom-Sozialpädagogin der Wohngruppe Murialdo; Walburga Strott, Förderschulrektorin der Johann-August-Waldner Schule; Andrea Dill, Lehrerin der Johann-August-Waldner Schule; Peter Schäffner, Lehrer der Johann-August-Waldner Schule