Flüchtlinge haben keine Zeit zu verlieren

Veröffentlicht am: 07. April 2016

Sinntal-Sannerz - 28 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge leben seit Mitte des vergangenen Jahres in der Jugendhilfeeinrichtung Don Bosco in Sinntal-Sannerz. Sie lernen fleißig Deutsch in der hauseigenen Schule und viele von ihnen sind in den Werkstätten für Metall-, Farb- oder Holztechnik in die praktische Arbeit eingebunden. Dringend benötigt werden Praktikums- und später Ausbildungsplätze, berichtet die pädagogische Leiterin Regina Kriegsmann. Die Jugendlichen aus Äthiopien, Afghanistan, Eritrea, Guinea, Irak, Kurdistan, Somalia und Syrien im Alter zwischen 14 und 18 Jahren wirkten so, als hätten sie keine Zeit zu verlieren, beschreibt Regina Kriegsmann ihre Eindrücke.

Ordensmann Simon Härting und Regina Kriegsmann appellieren deshalb an die  Verantwortlichen in Handwerk, Industrie und Handel ebenso wie an kirchliche Arbeitgeber, den jungen Flüchtlingen die Chance zum Hineinschnuppern in das Arbeitsleben zu geben. Sie bräuchten Einblicke in die berufliche Praxis, um entscheiden zu können, welchen Weg sie einschlagen wollen. Selbst wenn die Asylanträge der jungen Männer abschlägig beschieden würden, könnten sie alles hier Erlernte für ihr späteres Leben nutzen.

Im April 2015 hatte Don Bosco auf Anfrage des Main-Kinzig-Kreises die ersten jungen Flüchtlinge in vorhandene vollstationäre Wohngruppen integriert. Ein bestehendes Haus wurde umgebaut und dort eine Wohngruppe für weitere junge Flüchtlinge eingerichtet.

Insgesamt leben 85 männliche Jugendliche in Don Bosco und das Miteinander funktioniere gut. Die Motivation der Flüchtlinge möglichst schnell viel zu lernen, springe auf die anderen Jugendlichen über. Auf der anderen Seite erlebten die jugendlichen Flüchtlinge durch die gleichaltrigen deutschen Jugendlichen, was es bei uns bedeute jung zu sein. Die ausländischen Jugendlichen forderten etwa von ihren deutschen Kollegen ein, respektvoll mit den Betreuern zu sein. Allerdings biete die Mischung der Nationen auch Zündpotential. Ein junger Afrikaner etwa, der in Libyen von Arabern gefoltert worden war, zeigte große Ängste vor den Jugendlichen aus dem arabischen Raum. Dieser Junge fühle sich in einer Wohngruppe gemeinsam mit deutschen Jugendlichen gut aufgehoben.

Bei obligatorischen Küchendiensten erführen die Jugendlichen hautnah die Gleichberechtigung in Deutschland, wenn sie selbst das Geschirr abwaschen müssten, was in ihrer Heimat eindeutig Frauenarbeit sei, berichtete Simon Härting.

In Einzelgesprächen werden in Don Bosco mit den Jugendlichen persönliche Perspektiven entwickelt. Viele der ausländischen Jugendlichen hätten große Sehnsucht nach ihren Familien und ihrer Heimat. Außerdem verspürten sie einen großen Druck, den Familien, die ihre Flucht nach Europa finanziert hätten, bald etwas zurückgeben zu können. Religionsfreiheit werde in der vom Orden der Salesianer betriebenen Jugendhilfeeinrichtung groß geschrieben. Von der Toleranz der muslimischen Jugendlichen aus dem arabischen Raum könne man hierzulande lernen, erklärte Simon Härting. Einige, wie beispielsweise die Flüchtlinge aus Eritrea könnten in Deutschland erstmals ihren christlichen Glauben leben. Andere der jungen Leute seien nicht interessiert an religiösen Fragen.

Einer der kurdischen Jugendlichen kenne etwa das Haus der Salesianer in Aleppo. Die Ordensbrüder seien bisher in der hart umkämpften Stadt in der Nähe der türkischen Grenze geblieben, weil sie dort immer noch Jugendliche betreuen, schilderte Simon Härting.

Barbara Kruse

 

Auf dem Foto: Für den Nabu (Naturschutzbund Deutschland) werden in der Holzwerkstatt Nistkästen gebaut.